S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T ausgegeben am Donnerstag, den 21.11.2024 um 10.30 UTC Wechselhaft, dabei anfangs mild bis sehr mild. __________________________________________________________ Synoptische Entwicklung bis zum Donnerstag, den 28.11.2024 Nach den winterlichen Attacken der Kurzfrist startet das mittelfristige Prognosefenster mit einem regelrechten Paukenschlag. Grund ist ein dickes, fettes Orkantief, das sich am Sonntag mit unter 950 hPa im Kern (am Samstag werden es wahrscheinlich sogar unter 940 hPa sein!) knapp westlich der Hebriden einnistet. Wie ein großer Schaufelbagger (ich zitiere hier den ehemaligen ZDF-Meteorologen Dieter Walch, der diesen Vergleich vor gefühlt 25 Jahren mal in seiner abendlichen Präsentation verwendet hat) transportiert das Tief auf seiner Vorderseite subtropische, ja fast schon tropisch anmutende Warmluft nordwärts, die auch vor Deutschland nicht haltmacht. Genau genommen trifft uns am Sonntag und Montag sogar das Maximum der Warmluftzunge, steigt doch die 850-hPa-Temperatur auf 14, vielleicht sogar 15°C, nachdem am Samstag noch deutlich unter 0°C auf der Karte stehe. Und da sich in der Peripherie des Orkantiefs auch der Wind nicht lange bitten lässt, ist für ausreichend Durchmischung gesorgt, so dass mit etwas Einstrahlung vornehmlich im Lee der Mittelgebirge die Temperatur durchaus in Richtung 20°C-Marke konvergieren könnte (auch wenn MOS z.Zt. davon noch nichts wissen will). Nicht ausgeschlossen, dass dabei einzelne Dekadenrekorde (z.B. in NRW) erreicht werden. Ansonsten gilt es zu konstatieren, dass wir am Sonntag nach dem samstäglichen Zwischenhocheinfluss (Durchgang eines Rückens mit Bodenhochzentrum über den Alpen) auf die Vorderseite eines Potenzialtrogs über dem nahen Atlantik kommen, der vergleichsweise zögerlich gen Kontinent schwenkt. Das erklärt ein Stück weit, warum die westlich von uns positionierte Kaltfront des Orkantiefs ins Schleifen kommt respektive flache Wellen schlägt, während die Warmfront flotter auf den Beinen ist. Anders ausgedrückt, wir gelangen vorübergehend in einen breiten Warmsektor, der erst am Montag langsam schmaler und genau so langsam nach Osten abgedrängt wird. Am Dienstag dürfte die Kaltfront dann unter Abschwächung den gesamten Vorhersageraum südostwärts überquert haben. Ihr folgt nicht nur ein Schwall erwärmter Meereskaltluft (mP; Rückgang T850 auf Werte um 0°C), ihr folgt auch der o.e. Potenzialtrog, der inzwischen aber an Amplitude verloren hat und auch sonst nicht überbordend dynamisch aussieht. Immerhin ist er mit labil geschichteter Kaltluft ausgestattet (T500 zwischen -24 und -30°C), was für einzelne Schnee- (Bergland), Regen- oder Graupelschauer, vielleicht auch ein kurzes Gewitter hinreichend ist. Das (ehemalige) Orkantief, welches inzwischen auf etwas unter 1000 hPa zugelegt hat, zieht zur nördlichen Nordsee. Von dort versorgt es uns mit einem mäßigen bis frischen, an der See sowie im höheren Bergland teils stürmischen Südwestwind. Am Mittwoch gelangt Deutschland zwischen dem abziehenden Trog und einem weiteren Randtrog über UK/Irland unter einen relativ schwache west-nordwestliche Höhenströmung, von der nicht allzu viel Dynamik ausgeht. Das Bodentief steuert derweil Jütland an, wo es am Ende des Tages voraussichtlich nur noch eine 1015er-Kernisobare aufzubieten hat. Das reicht aber immer noch, um hier einen wechselhaften Endvovembertag zu generieren. Insbesondere im nach wie vor windigen Norden dürften sich wiederholt Schauer entwickeln, aber auch im Süden bleibt es nicht durchweg trocken. In der zweiten Wochenhälfte nehmen die Unsicherheiten zu. Fakt ist, dass IFS schon zuvor über UK/Irland und dem nahen Atlantik ein Hoch mit überlagertem Rücken entstehen lässt, das seine Fühler mehr und mehr Richtung Fennoskandien ausstreckt. Gleichzeitig mutiert das ehemalige Orkantief bei uns zum einer sich zusehends auffüllenden Rinne, die aber von einem prominenten, zonal exponierten Höhentrog überlagert ist (bestehend aus dem Anteil, der am Dienstag durchgezogen ist sowie dem Randtrog von UK/Irland). Damit ergibt sich eine Hoch-über-Tief-Konstellation ("high over low"), bei der mit auf Nordost drehendem Wind wieder Kaltluft installiert wird. T850 geht zum Wochenende auf Werte um oder etwas unter -5°C zurück, was bei zunächst noch zyklonaler Ausrichtung Schnee bis in tiefe Lagen bedeuten KÖNNTE - abwarten. __________________________________________________________ Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs Die Konsistenz von IFS (ECMF) ist bis einschließlich Mitte nächster Woche gut. Kleinere Unschärfen liegen im üblichen Toleranzbereich mittelfristiger Vorhersagen. Richtung zweite Wochenhälfte nehmen die Unterschiede dann allerdings zu, wobei sich ein überwiegend tiefdruckbeeinflusster Wetterabschnitt mit wieder zurückgehenden Temperaturen abzeichnet. __________________________________________________________ Vergleich mit anderen globalen Modellen Ähnlich wie bei der Konsistenz läuft es auch beim Modellvergleich: bis Dienstag weitgehend im Einklang, danach zunehmend divergente Tendenzen. ICON, GEM und UK10 lassen uns ein weiteres Tief von Nordfrankreich und Benelux her auf die Pelle rücken, das uns am Mittwoch (ICON) oder erst am Donnerstag (GEM/UK10) überquert. GFS will davon nichts wissen und simuliert stattdessen Hochdruckeinfluss, der Deutschland am Donnerstag von Südwesten her erreicht. In der erweiterten Mittelfrist kommt es dann zu einem nordamerikanischen Bündnis, indem GEM und GFS einen breiten Rücken über Mitteleuropa simulieren bei gleichzeitig hohem Luftdruck über dem östlichen Mitteleuropa bzw. dem nahen Osteuropa. Das hätte eine zumindest in der Höhe milde bis sehr milde südliche Strömung zur Folge, die mit der IFS-Lösung (kalte Nordostströmung) rein gar nichts gemein hat. Mit anderen Worten, aus rein deterministischer Perspektive steht die Vorhersage zunächst auf einem sehr soliden Sockel, bevor die Prognose Richtung erweiterte Mittelfrist in die Black Box abdriftet. __________________________________________________________ Bewertung der Ensemblevorhersagen Was die Deterministik kann, kann die Probabilistik schon lange: Bis Dienstag verlaufen Potenzial- und Temperaturkurven von IFS-EPS ziemlich eng beieinander, bevor die Spreizung im weiteren Verlauf zunimmt (bei der Temperatur stärker als beim Potenzial). Zwar wird die vom HRES favorisierte Abkühlung von vielen Ensemblelösungen mitgetragen, eine stattlich zweistellige Anzahl bewegt sich aber auf höherem Niveau. Kurzum, eine belastbare Aussage, wie es nach Wochenmitte weitergeht, ist nicht möglich. Was auch dadurch unterstrichen wird, dass die "warmen" Hauptläufe von GFS und GEM den oberen Rand ihrer ansonsten nach hinten raus diffusen Ensembleläufe markieren. Auffallend sind die die ganze Woche auftretenden, in der erweiterten Mittelfrist nur geringfügig abnehmenden Niederschlagssignale. Von den Rauchfahnen zu den Clustern, die für den Zeitraum T+72...96h (Sonntag/Montag) mit vier, über West- und Mitteleuropa aber nahezu identen Lösungen aufwarten (alle NAO+). Von Dienstag bis Donnerstag (T+120...168h) reduziert sich das Ganze auf drei Cluster, von denen CL 1 und 2 ins Regime "Blockierung" wechseln, während CL 3 (immerhin 15 Fälle) auf NAO+ bleibt. Gemein ist allen Drei das Übergreifen des Troges von UK/Irland her, allerdings mit jeweils unterschiedlicher Geometrie. Obwohl die Vorhersage unsicherer wird, reduziert sich die Anzahl der Cluster ab Freitag (T+192...240h) auf zwei: CL 1 (27 Fälle + HRES) bleibt auf "Blockierung" mit einem Trog/Höhentief knapp östlich von uns. CL 2 (24 Fälle) wechselt auf "Atlantischer Rücken", was bei uns eine west-nordwestliche Höhenströmung zur Folge hätte. FAZIT: Sowohl der fast schon als Paradigmenwechsel zu bezeichnende Umschwung von kalt auf warm am Sonntag/Montag als auch die nachfolgende Wechselhaftigkeit bis Wochenmitte (bei dann wieder etwas zurückgehenden Temperaturen) stehen auf einem breiten numerischen Fundament. Danach wird´s diffus, so dass eine seriöse Aussage nicht möglich ist. Lassen wir uns überraschen. _________________________________________________________ Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen Signifikante Entwicklungen konzentrieren sich eigentlich nur auf den Wind, der zunächst am äußeren Rand des jungen, später dann am Rand des gealterten (und abgeschwächten) Orkantiefs zeitweise recht lebhaft daherkommt. Vor allem an der Küste (Nordsee mehr als Ostsee) sowie im höheren Bergland muss mit Böen 8-10 Bft, exponiert (der Brocken, wieder mal) auch mehr gerechnet werden. Im Laufe der kommenden Woche nimmt der Wind tendenziell ab. ________________________________________________________ Basis für Mittelfristvorhersage MOS-Mix (Temperaturen am Sonntag/Montag teilweise etwas nach oben korrigiert) mit IFS-EPS und Modellmix. ________________________________________________________ VBZ Offenbach / Dipl. Met. Jens Hoffmann