S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T ausgegeben am Sonntag, den 19.01.2025 um 10.30 UTC Meist milde und unbeständige West- bis Südwestlagen - Winter auf Abwegen __________________________________________________________ Synoptische Entwicklung bis zum Sonntag, den 26.01.2025 Beim ersten schnellen Blick auf die Mittelfrist-Vorhersage müssen die Winterenthusiasten unter uns hart im Nehmen sein, denn vom Winter fehlt für tiefe und mittlere Lagen fast jede Spur! Und das zu einer Zeit, wo der Winter in seine Hochphase in der zweiten Januarhälfte geht. Nach der längeren Blockierung durch "Betonhoch" BEATE klopfen mit Beginn der Mittelfrist am kommenden Mittwoch wieder Tiefdruckgebiete an die mitteleuropäische Tür. Statt den Großwetterlagen HM oder BM dominieren dann SWa, SWz, Sa oder Sz. Das S steht dabei natürlich für Süd, womit klar ist, dass südliche bis südwestliche Strömungen milde Luft zu uns bringen. "Kalte" Lösungen des ECMWF-Großwetterlagen-Ensembles nach Paul James wären Ws oder TB - also Lösungen, die alles andere als kalt für Deutschland wären bzw. nur kurzzeitig mal etwas kühlere Luftmassen zu uns transferieren. Im Detail gerät die nordhemisphärische Strömung durch einen Kaltluftvorstoß im russischen Sektor bereits in der Kurzfrist in progressive Bewegung, womit der mitteleuropäische Rücken unter Abflachung nach Osten abgeführt wird und Hoch BEATE zunehmend die Unterstützung fehlt. So kann sich bis Mittwoch ein erster Trog bis zum Balken und nach Griechenland vorarbeiten. Ihm folgt ein zweiter, der Mittwochmittag etwa eine Linie Nordmeer - Britischen Inseln - Biskaya erreicht und bis zum Abend in die Nordsee schwenkt. Daran gekoppelt entwickelt sich mit kräftiger WLA aus einer Zone tiefen Drucks von den Britischen Inseln bis zur Iberischen Halbinsel ein neues Tief über Benelux. Auf der Vorderseite davon wird in südwestlicher Strömung feucht-milde Luft mit T850 hPa von 1 bis 5 Grad und mit Regenfällen nach Deutschland transferiert. Am Donnerstag steuert der Trog Südskandinavien an und mit ihm das Bodentief, sodass das Frontensystem Deutschland überquert. Hinter der Kaltfront strömt vorübergehend kühlere Meeresluft subpolaren Ursprungs ein und lässt die T850 hPa auf 0 bis -5 Grad sinken. Zum Abend hin stößt ein neuer scharfer Trog in die Nordsee vor, im Gepäck das okkludierende Frontensystem eines weiteren Tiefs mit Zentrum knapp südlich von Island. Am Freitagmorgen ist dieses Tief mit seinem Frontensystem bei uns bereits durch, die Pause währt aber nicht lange. Zwar zeigt sich in der Höhe vorübergehend ein Rücken, der wird allerdings von erneut kräftiger WLA überlaufen. Ein neuer, mächtiger Trog über dem Nordostatlantik stützt ein Sturmtief mit Zentrum nachmittags bei Schottland. Die Warmfront des Tiefs erreicht zum Abend hin schon den Osten Deutschlands, bei neuen Regenfällen und vor allem im Nordwesten teils flottem Wind (kein ausgeprägter Sturm) steigt die T850 hPa rasch wieder auf 1 bis 5, im Süden bis auf 8 Grad. Am Samstag zieht das Sturmtief nach Südskandinavien. Die Kaltfront schleift dann über dem Süden Deutschlands, nach Norden hin herrscht Trogeinfluss mit Konvektion. Die T850 hPa sinken nördlich der Kaltfront auf 0 bis -4 Grad, während im Süden mit 0 bis 4 Grad mildere Luftmassen vorherrschend bleiben. Am Sonntag steuert neuerlich ein scharfer Trog die Britischen Inseln bzw. bis zum Abend Benelux und Ostfrankreich an. Im Gepäck natürlich ein weiteres Tief, das sich abends in der Nordsee einfindet und das mit südwestlicher Strömung die T850 hPa erneut überall auf 1 bis 7 Grad steigen lässt. In der erweiterten Mittelfrist ab Montag übernächster Woche geht das Tiefdruckspiel mit einem neuen Zentraltief südlich von Island weiter, sodass es in westlicher bis südwestlicher Strömung auf jeden Fall mild bleibt. Eventuelle Schnellläufer bergen dann sogar durchaus Sturmpotenzial - Winterwetter ist dafür nicht in Sicht. __________________________________________________________ Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs Die Konsistenz des ECMWF-Modells ist nur einigermaßen zufriedenstellend. Auf großskaliger Ebene wird am Trog- und Tiefdruckeinfluss für Mitteleuropa und Deutschland zwar nicht gerüttelt, auf kleinerer Skala zeigen sich allerdings deutliche Unterschiede im räumlich-zeitlichen Ablauf. Das führt in der Vorhersage zu einigen Änderungen insbesondere bezogen auf die Niederschläge. Am grundsätzlich milden Verlauf ändert sich jedoch nichts. __________________________________________________________ Vergleich mit anderen globalen Modellen ICON, GFS, UK10 und AI-Modelle wie GraphCast ML (Google) und AIFS (ECWMF) bieten grundsätzlich keine anderen Lösungen an, auch wenn es in den Details naturgemäß Unterschiede gibt. Diese beziehen sich im Wesentlichen ebenfalls auf den zeitlichen Ablauf der Trog-Keil-Muster bzw. auf den zeitlichen Ablauf der Niederschläge. __________________________________________________________ Bewertung der Ensemblevorhersagen RAUCHFAHNEN: Die Rauchfahnen des EZMW-Ensembles bestätigen für diverse deutsche Städte den Hauptlauf größtenteils. So wird das für eine Westdrift übliche Auf und Ab bei den 850 hPa-Temperaturen und beim niedrigerem 500 hPa-Geopotenzial als zuvor gespiegelt, auch der Median geht dieses Verhalten mit. Der Hauptlauf bettet sich meist gut in den Median ein. Ab Freitag öffnen sich die Kurven etwas deutlicher, wobei eine Minderheit der Ensembles die größere Spreizung verursacht. Damit kann dem Hauptlauf einigermaßen Vertrauen geschenkt werden, auch wenn der zeitliche Ablauf nicht sicher ist. CLUSTER: Von Freitag (0 UTC) bis Sonntag (0 UTC) werden 4 Cluster angeboten, mit der Mehrheit NAO+ als Regime. Im Prinzip zeigen alle 4 Cluster zunächst das Gleiche, beim letzten Termin sind die Tröge unterschiedlich. C1 und C3 liefern einen wie beim Hauptlauf aus dem mächtigen Trog rauslaufenden kleinen Trog, der bei C2 und C4 kaum ausgeprägt ist. Das stellt die Stärke des am Samstag von Schottland nach Südskandinavien ziehenden Sturmtiefs infrage, nach C4 steuert es sogar das Seegebiet nördlich von Schottland statt Südskandinavien an. Von Montag (0 UTC) bis Mittwoch (0 UTC) übernächster Woche werden 3 Cluster benötigt, um die Unsicherheiten im Ensembleraum zu beschreiben. C1 hat das Regime NAO+, C2 NAO- und C3 Blockierung, Trog und Tiefdruckgebiete weisen nun ein asynchrones Verhalten auf. Das offenbart größere Unsicherheiten für diesen Zeitraum, die in den Rauchfahnen noch nicht so ersichtlich wurden. Zumindest nach C3 (19 Mitglieder) stellt sich bis zum Mittwoch sogar eine nordöstliche Strömung ein, mit der kalte, aber auch trockene Kontinentalluft unser Land fluten würde. Viel mehr als ein dünner Strohhalm für die Winterfans scheint dies allerdings nicht zu sein. FAZIT: Die Umstellung der Wetterlage von der Blockierung hin zur Westwinddrift mit wiederholt durchziehenden Tiefdruckgebieten bzw. Ausläufern davon, Niederschlägen und wechselnden, aber für eine Einwinterung in tiefe Lagen nie ausreichend kalte Luftmassen ist unstrittig. Im zeitlichen Ablauf werden jedoch Fragen aufgeworfen, die zum Ende der Mittelfrist größer werden und vor allem die Vorhersage der erweiterten Mittelfrist ab übernächster Woche Montag erschweren. Optionen für Winterwetter bis ins Tiefland gib es fast keine. In der erweiterten Mittelfrist scheint Sturm nicht ausgeschlossen zu sein. _________________________________________________________ Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen WIND: EFI deutet am Freitag mit geringen Werten bis 0.6 im Westen Deutschlands überdurchschnittlich starken Wind an, das Hauptwindfeld bleibt aber weiter westlich. Im EZMW-Ensemble gibt es geringe Wahrscheinlichkeiten für stürmische Böe Bft 8 hauptsächlich im westlichen Bergland. Darüber hinaus deutet das Ensemble am Samstag im Nordwesten stürmische Böen Bft 8 an. Außerdem treten in höheren Gebirgslagen ab Donnerstag zeitweise Sturmböen Bft 8-9, exponiert schwere Sturmböen Bft 10 auf. GLATTEIS: Beim Übergang zu zyklonalem Geschehen mit Niederschlägen ist am Mittwoch und Donnerstag örtlich gefrierender Regen nicht ausgeschlossen, insbesondere im Bergland und in Tallagen. ________________________________________________________ Basis für Mittelfristvorhersage MOSMIX, EZMW, EZMW-EPS ________________________________________________________ VBZ Offenbach / Dipl. Met. Simon Trippler